Wenn das Bild lügt – wie KI-Videos unsere Wahrnehmung verändern

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Es passiert leise. Zwischen zwei Wischbewegungen.
Ein Tier, das plötzlich durchs Badezimmerfenster springt. Ein Waschbär, der mit einem Reh im Wald tanzt. Ein Bär auf einem Trampolin. Und irgendwo singt Michael Jackson ein neues Lied. Alles wirkt so zufällig, so echt und ist doch künstlich.

Seit dem Start der Video-KI Sora 2 hat sich die Art, wie wir Videos sehen, unmerklich verändert. Die künstliche Intelligenz von OpenAI kann aus einfachen Texten ganze Filmszenen erschaffen. Mit Ton, Bewegung und Licht – so echt, dass selbst geübte Augen ins Stolpern geraten. Die Software kann aus einem Foto ein sprechendes Video machen, Gesichter und Lippenbewegungen anpassen, Stimmen klonen. Und all das passiert längst nicht mehr nur in Laboren oder Studios, sondern auf ganz normalen Smartphones.

Wir leben in einer Zeit, in der man nicht mehr wissen kann, ob ein Video real ist oder nur die Idee einer Maschine. Das, was früher Beweis war, ist heute Möglichkeit.


Die neue Flut der Fälschungen

Jede Plattform ist mittlerweile durchzogen von solchen Clips
Es gibt YouTube-Kanäle, die angeblich neue Unterwasserwesen zeigen. Andere präsentieren Filmtrailer zu Filmen, die es gar nicht gibt. Wieder andere veröffentlichen Songs, die Künstlerinnen und Künstler nie eingesungen haben. Ganze Alben tauchen auf, die nie produziert wurden.

Auch politische Themen sind betroffen. Videos, die Polizistinnen und Polizisten oder Demonstrierende zeigen, können inzwischen vollständig synthetisch sein. Es ist deshalb nicht egal, welche Haltung man dazu einnimmt, entscheidend ist, ob das, was man sieht, überhaupt passiert ist.

Und selbst die harmlosen Clips, das Tier auf dem Trampolin, die fliegende Katze, die plötzlich durchs Fenster kommt, sie alle nähren eine neue Gewohnheit: Misstrauen.


Die eigene Erfahrung

Vor wenigen Tagen wurde bei uns ein Foto eines Parkplatzes geteilt. Eine freie Parklücke, selten genug hier. Aus diesem Bild haben wir ein kurzes Video erstellt, mit Sora 2. Darin rollt das Auto im Hintergrund langsam nach vorne, die Lücke verschwindet wieder. Das Video sieht täuschend echt aus. Doch es ist nie passiert. Das Auto stand. Der Fahrer war nicht da.

Und wenn selbst so etwas möglich ist, wie soll man dann unterscheiden, was echt und was Illusion ist?

Beispiel-Video: So viele Fakes sind schon unterwegs

Hier findest du ein Video mit einer Sammlung aktueller KI-Clips aus dem Netz, von Tieren über Prominente bis hin zu gefälschten Filmsequenzen:

Es zeigt, wie selbstverständlich Künstlichkeit mittlerweile geworden ist. Die Grenzen verschwimmen, die Wahrnehmung stumpft ab.

Der Verlust der Neugier

Immer häufiger merkt man beim Scrollen, dass die Freude am Entdecken schwindet. Ein Clip, der früher Staunen ausgelöst hätte, wird nun mit einem Achselzucken übersprungen.
„Wahrscheinlich KI“, denkt man und wischt weiter. So wird aus dem Staunen Gleichgültigkeit, aus dem Wunder Alltag.

Und genau darin liegt die Gefahr: Nicht nur, dass wir getäuscht werden, sondern dass uns die Fähigkeit verloren geht, überhaupt noch zu glauben.


Woran du KI-Videos momentan noch erkennen kannst:

  • oft ist der Zufall zu schön, zu unwahrscheinlich, um wahr zu sein.
  • Bewegungen wirken manchmal zu glatt oder zu perfekt.
  • Schatten, Spiegelungen oder Wasser, (allgemeine Physik) verhalten sich unnatürlich.
  • Hände oder Finger sehen seltsam aus, überschneiden sich oder haben merkwürdige Winkel.
  • Lippenbewegungen und Ton passen nicht ganz zusammen.
  • oder Texte (wie das Kennzeichen in unserem Video) sind sinnlos oder kaum lesbar.

Wenn etwas wirkt, als hätte es die Welt nur für die Kamera getan, dann war es vermutlich die KI.

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Also, die Bilder in der Collage sind natürlich nicht echt

Die Zukunft der Wirklichkeit

Wir stehen gerade an einem Wendepunkt. Videos waren lange das Symbol für Wahrheit. „Ich hab’s auf Video“ bedeutete: Es ist wirklich passiert. Doch diese Gewissheit zerbricht gerade. Vielleicht wird das Theater wieder wichtiger, weil wir dort echte Menschen sehen, atmend, schwitzend, nicht berechnet. Vielleicht lernen wir wieder, dem Zufälligen zu vertrauen, nicht dem Perfekten.

KI-Systeme wie Sora 2 haben die Grenze zwischen Vorstellung und Erfahrung aufgelöst und wir müssen neu lernen, zu sehen, nicht, um zu glauben, sondern um zu verstehen.

VonLux

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