Ich stöbere gerne hier auf dieser MV-Plattform von Lux, um Neues, Informatives oder auch Historisches über das Märkische Viertel zu erfahren. Der Ordner über „Einsamkeit, Neuanfänge und Begegnungen“ brachte mich auf die Idee, m e i n e besondere Begegnung aufzuschreiben und mit Euch zu teilen.
Wenn Ihr sie gelesen habt, fällt vielleicht dem einen oder anderen auch eine Begegnung ein, die sich lohnt, festgehalten zu werden.
Im Dschungel der Großsiedlung gibt es Orte, an denen man Menschen immer und immer wieder trifft, so zum Beispiel an der Bushaltestelle.
Oft ist es morgens der erste Anlaufpunkt auf dem Weg zur Arbeit, und oft sind es auch dieselben Menschen – die ältere Dame mit den grauen lockigen Haaren, der Mann mit den stahlblauen Augen, der hastig an seiner Zigarette zieht oder der mit dem Hoodie, die Kapuze tief im Gesicht, fast noch schlafend.
Man steht da, wartet auf den Bus, fährt anschließend vielleicht sogar noch eine gemeinsame Strecke mit der S- oder U-Bahn. Man nimmt sich sicherlich auch gegenseitig wahr, aber für ein „Guten Morgen“ reicht es dann doch nicht.
Ich gehörte viele Jahre zu diesen Menschen.
Irgendwann fiel mir eine junge Frau besonders auf, eine sehr gepflegte, zierliche Erscheinung, fast jungenhaft, kurze schwarze Haare und ein sehr weißes Hautbild. Hin und wieder kam auch noch ein roter Lippenstift hinzu.
In meinen Gedanken war sie „Schneewittchen“. Ich hoffte immer, dass ihre Haare länger werden würden, damit sie meiner Vorstellung von der Märchenfigur gerecht würde.
Die Haare blieben allerdings kurz!
Eines Tages kam eine Durchsage des Busfahrers, dass wir uns auf einen BVG-Streik einstellen müssen. Ein wenig erschrocken schauten sich alle um und ein Geraune ging durch den Bus. So tauschten wir (ich nenne sie jetzt mal weiterhin „Schneewittchen“) unsere ersten Worte zu dem gerade Gehörten.
Der Streik kam – während dieser Zeit blieb für mich nur der einsame Fußweg bis zum Bahnhof.
Am ersten Morgen danach war wieder das alte Menschenbild an der Bushaltestelle zu sehen. Aber dieses Mal bekam ich ein Lächeln und ein vorsichtiges „Guten Morgen“ von Schneewittchen!
Wir teilten unsere Streikerfahrungen. Auch im Bus und in der U-Bahn setzten wir unser Gespräch fort.
Ab diesem Tag gab es immer, wenn wir uns morgens begegneten, ein „Guten Morgen“ und leise Gespräche über dies und das, bis sich unsere Wege an der Osloer Straße trennten.
Durch Urlaub und auch mal Krankheit gab es Pausen, aber man freute sich immer, wenn der andere morgens an der Haltestelle stand.
Nun nahte mein Ruhestand. Die letzte Zeit war sehr anstrengend. Ich war so ausgepowert, dass ich einfach länger schlief und später ins Büro fuhr. Also sah ich auch Schneewittchen nicht mehr. Dummerweise hatten wir uns nie mit unseren Namen vorgestellt. Ich wusste nur, dass sie im Nachbaraufgang unseres Hochhauses wohnt. Da wird man sich doch sicher mal vor der Haustür begegnen – dachte ich!!!
Mein Ruhestand begann mit der harten Zeit von Corona. Alle Reisen wurden abgesagt und ich saß zu Hause, so wie die meisten von uns. Was blieb, waren die Spaziergänge am Seggeluchbecken oder nach Lübars mit anfangs noch selbst genähten Masken. Wir waren alle verunsichert … ich will hier gar nicht weiter darauf eingehen.
Nur eines wunderte mich, während ich viele Nachbarn auf den Spaziergängen sah, Schneewittchen traf ich einfach nicht. Hoffentlich war sie gesund geblieben!
Vier lange Jahre (!) hat es gedauert, bis wir uns auf der Straße wiedersahen!
Ihr könnt Euch alle denken, wie groß das Erstaunen, aber erst recht die Freude war.
Da wohnt man nebenan und sieht sich praktisch nie!
Sofort tauschten wir Namen und Nummern aus, telefonierten noch am Abend und verabredeten uns. Das erste Treffen dauerte sechs Stunden, man hatte viel zu berichten.
Es ist eine wunderbare Freundschaft daraus entstanden!
Nur an der Bushaltestelle treffen wir uns nun nicht mehr😉
Wenn jemand auch eine schöne Begegnung mit Menschen in unserem Viertel hatte, lasst es uns wissen! Ihr könnt Euch gerne bei Lux melden.
– Ende –
Viele Grüße, Karin
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