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Auch im Märkischen Viertel hört man es oft: „Wir werden verarscht.“ Und wer so spricht, hat nicht unrecht. Nur geht die Wut manchmal in die falsche Richtung. Denn die Ursache ist nicht in der Nachbarwohnung, nicht bei Menschen mit fremdem Namen und auch nicht in irgendwelchen düsteren Verschwörungen zu finden.

Es ist menschengemacht. Es kommt von hier.
Aus einem System, das Reichtum schützt und Armut verwaltet. Aus einer Struktur, in der Besitz nicht durch Leistung entsteht, sondern durch Herkunft.

Während manche immer noch nach unten zeigen, wäre es an der Zeit, endlich nach oben zu schauen.

In Deutschland besitzen die reichsten 10 % rund 60 % des gesamten Nettovermögens. Das oberste 1 % allein hält 30 bis 35 %. Die Hälfte der Bevölkerung aber, die unteren 50 %, teilen sich magere 1 bis 2 % des Vermögens. Manche haben nichts. Viele haben Schulden. Und fast alle tragen die Erzählung, sie seien selbst schuld daran.

Diese Logik ist falsch. Sie ist gefährlich. Und sie ist bequem für die, die oben sitzen.

Wer Reichtum erbt, braucht keine Disziplin, keine Strategie und kein Sparbuch. Sie wachsen hinein in Besitz, Beziehungen, Netzwerke. Reichtum fällt nicht vom Himmel, er wird weitergereicht. Und Armut? Armut wird meistens genauso vererbt, nur nennen wir das dann „Schicksal“, nicht Privileg.

Die Wahrheit ist: Arbeitslosigkeit, Krankheit, Erschöpfung oder soziale Isolation sind nicht die Folge von Faulheit, sondern oft das Produkt von Generationen ohne Rücklagen, ohne Startkapital, ohne Pause.

Statt auf die Schwächsten zu zeigen, wäre es an der Zeit, das System zu hinterfragen, das Schwäche zur Schuld macht und Reichtum zur Tugend verklärt.

Denn wenn 50 % der Menschen fast nichts besitzen, während ein Prozent fast alles hält, ist das keine Naturgewalt, es ist Architektur.

Es gibt einen Weg – und er steht sogar im Grundgesetz

Viele sagen: „Man kann eh nichts machen.“ Doch das stimmt nicht. Es gibt Wege, wie Vermögen gerechter verteilt werden kann und sie sind längst angelegt, auch in unserem Recht.

Artikel 14 des Grundgesetzes schützt Eigentum, ja. Aber derselbe Artikel sagt auch:

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Und weiter geht das Grundgesetz noch klarer:

Artikel 15 erlaubt sogar die Vergesellschaftung von Eigentum, „zum Wohle der Allgemeinheit“ – etwa bei Wohnraum, Energie, Produktionsmitteln.

Das ist nicht links. Das ist Verfassungsrecht. Und es wird bisher einfach ignoriert.

Was wäre möglich?

– Eine gerechte Vermögenssteuer, wie sie viele Länder längst haben (bei uns seit den 90ern ausgesetzt)
– Eine einmalige Vermögensabgabe, etwa nach Krisenzeiten
– Eine Verfassungsreform, die soziale Rechte stärkt
– Eine kontrollierte Vergesellschaftung großer Konzerne, wenn diese das Gemeinwohl gefährden

Manche Reiche könnten dann natürlich drohen zu gehen und ihr Geld ins Ausland zu bringen. Das passiert heute schon. Doch dem lässt sich entgegenwirken:

– mit internationalen Abkommen gegen Steuerflucht,
– mit Kapitalverkehrskontrollen,
– mit gesetzlichen Mindeststeuersätzen, wie sie gerade global verhandelt werden,
– und vor allem mit politischem Mut.

Vielleicht beginnt Gerechtigkeit dort, wo wir aufhören, oben und unten moralisch zu bewerten. Wo wir aufhören, den Besitz als Maßstab für Würde zu nehmen. Und wo wir anfangen, die Würde aller Menschen als Besitz zu verteidigen.

VonLux

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